Initiative fordert Social-Media-Verbot für U-16-Jährige: Experte zweifelt an Lösungsvorschlag

Der Appell für ein Social-Media-Verbot für Jugendliche unter 16 Jahren wird politisch: Mit mehr als 50.000 gesammelten Unterschriften muss sich der Bundestag mit einer Petition des Vereins Smarter Start ab 14 e.V., der ein Verbot in Deutschland fordert, beschäftigen. “Ich verstehe den Ruf nach mehr Regulierung für Minderjährige im Netz, bin mir aber auch sicher, dass ein pauschales Verbot das Problem nicht lösen wird. Dagegen sehe ich einen großen Nachholbedarf in puncto Medienkompetenz, mit der die Social-Media-Nutzung von Kindern sicherer gemacht wird”, meint Marlon Giglinger, Gründer und Geschäftsführer von Netzschreier. Als CEO der Influencer-Marketing-Agentur beobachtet Giglinger seit über einem Jahrzehnt die Entwicklungen des Social-Media-Kosmos aus der ersten Reihe. Seine Agentur ist offizieller Unterstützer der Initiative „Training by Werberat„, die sich für verantwortungsvolles Werben unter Influencern einsetzt.

Influencer-Experte: Mehr Regulierung statt pauschales Gebot

“Was klar ist: Es muss sich etwas ändern. Das Nutzungsverhalten von Kindern auf Social-Media zeigt, dass wir mehr Regulierung benötigen. Es braucht neue Wege, um die Social-Media-Nutzung von Kindern sicherer zu machen. Wenn wir aber in andere Länder schauen, lässt sich beobachten, dass ein Verbot nicht den erhofften Effekt erzielt. Laut australischer Sicherheitsbehörde, wo es ein solches Verbot gibt, nutzen 80 Prozent der 8- bis 12-Jährigen trotzdem Social-Media-Plattformen. Was also viel wichtiger ist, um Minderjährige vor gefährlichen Inhalten zu schützen, ist die Vermittlung von Medienkompetenz. Wir brauchen mehr verpflichtende Kooperationen mit Schulen, NGOs oder Bildungsinitiativen, die Kindern zeigen, wie man Social-Media verantwortungsvoll nutzt und sich vor gefährdenden Inhalten schützt. Im schlimmsten Fall sorgt ein Verbot sogar dafür, dass die Social-Media-Nutzung tabuisiert wird und die Medienkompetenz dadurch sinkt”, meint Giglinger und ergänzt:

“Unsere Creator erreichen täglich Millionen Nutzer – auch viele junge Menschen. Das bringt natürlich eine enorme Verantwortung mit sich, der wir uns bewusst sind. Es ist wichtig, dass Content Creator regelmäßig gebrieft und weitergebildet werden, um ihre Inhalte bei einer jüngeren Zielgruppe angemessen zu gestalten. Auch die Social-Media-Plattformen selbst sehe ich in der Verantwortung. Zusätzliche Auswahlkriterien bei Inhalten für Kinder, eine Kontrolle der Plattform-Algorithmen, eine Altersverifikation für explizite Beiträge oder eigene Plattformen für altersgerechten Content wie etwa YouTube Kids können dabei helfen, Social-Media kinderfreundlicher zu machen.”

Giglinger zufolge geht in der Diskussion um ein Social-Media-Verbot der Blick auf die positiven Aspekte verloren: “Viele Minderjährige nutzen Social-Media nicht nur zur Unterhaltung, sondern auch zur Informationsbeschaffung. Plattformen wie YouTube oder TikTok bieten wertvolle Lerninhalte zu Geschichte, Politik oder Wissenschaft. Unsere Creatorin MissHistory erreicht beispielsweise hunderttausende Menschen mit ihren Inhalten zum Thema Geschichte – darunter auch Schüler, die ihren Content zum Lernen nutzen und sich für das Thema begeistern lassen. Darüber hinaus sind für viele junge Menschen Plattformen wie Instagram oder Snapchat ein Ort der sozialen Interaktion und Zugehörigkeit. Auch wenn das natürlich nicht das Leben abseits der Online-Welt ersetzt, könnten sich Jugendliche durch ein Verbot sozial isoliert fühlen.”

Abschließend hält Giglinger fest: “Jugendliche sind technikaffin und werden Wege finden, ein Verbot zu umgehen. Anstatt sie komplett auszuschließen, sollte man ihnen den richtigen Umgang mit Social Media beibringen. Ein pauschales Verbot verhindert keine problematische Nutzung, sondern verlagert sie in Grauzonen. Daher plädiere ich für andere Maßnahmen und einen Mittelweg zwischen Regulierung und Eigenverantwortung.”